Dienstag, Mai 24, 2011

The Adventures of Tintin


Nahezu sein ganzes Leben lang arbeitete der Belgier Hergé (1907–1983) an den Abenteuer-Geschichten des Reporters Tim (Tintin) und seinen Freunden. Nach seinem Ableben verfügte er testamentarisch, dass niemand die Reihe fortführe, übergab überdies die Rechte in die Hände seiner Frau aus zweiter Ehe, Fanny Vlaminck.
Die langelebige und bis heute erfolgreiche Serie besteht in erster Linie aus den in sich abgeschlossenen Abenteuern, die der Reporter Tim erlebt. Oft enthalten die Geschichten einen politischen Kommentar, hin und wieder auch Science-Fiction- und Fantsy-Elemente.Tim ist ohne Frage ein typischer Held: aufrichtig, mutig, einfallsreich, intelligent und guten Gewissens. Für jede noch so augenscheinliche ausweglose Situation findet er eine Lösung, er stellt sich stets auf die Seite der Unterdrückten und führt einen selbstlosen Kampf gegen das Böse und das Verbrechen, wo sich die Möglichkeit ihm nur bietet. Von Beruf ist er Reporter, auch wenn man ihn diesen selten ausüben sieht, und er hat augenscheinlich keine Familie, ebenso wenig wie Beziehungen zu Frauen. Seine Freunde und Bekannte werden sozusagen zu seiner Ersatzfamilie, die untereinader stark verbunden sind.Immer in Begleitung seines treusten Freundes, des Foxterriers Struppi (Milou) reist er dabei um die Welt, an die exotischsten Orte, ob China, Indien oder Südamerika, aber auch weniger exotische Gebiete, wie England, Russland oder die Fantasiestaaten Syldavien und Bordurien. Struppi, der zu Beginn der Reihe mit Tim sprechen zu können scheint, später jedoch nur hin und wieder in Sprachblasen seinen Gedanken Ausdruck gibt, hilft Tim bisweilen aus vielen ausweglosen Situationen (Stickwort: Fesseln). Für viele war er der heimliche Star der Comics, bis er durch Kapitän Haddock in der Gunst des Publikums abgelöst wurde. Benannt wurde er übrigens nach der ersten Liebe des 18-jährigen Hergé, Marie-Louise Van Cutsem, deren Spitzname "Milou" lautete.Später stieß Kapitän Haddock (Capitaine Haddock) zum Heldenduo dazu und war fortan ein ebenso treuer, wie rechteschaffener Begleiter und guter Freund. Teils ist er gar selbst der Grund für das ein oder andere Abenteuer. Obwohl er ein bärbeißiger, oftmals schlecht gelaunter Pfeiferauchender Seefharer mit der Neigung zu cholerischen Wutausbrüchen, die ihn zu gern in die fantasievollsten Schmipftiraden ausbrechen lassen (der legendärste ist mit Sicherheit "Hunderttausend heulende und jaulende Höllenhunde!" ("Mille millions de mille sabords")), und passionierte Whisky-Trinker, bevorzugt seine Lieblingsmarke "Lock Lomond", mit einem Alkoholproblem ist, ist er doch wegen seines aufrechten Charakters ein liebenswerter Mensch. Und seien wir mal ehrlich: er besitzt wesentlich mehr Charakter als jeder pseudo-ruppiger Sidekick in der Geschichten der Unterhaltungsliteratur. Sein Name rührt aus dem Englischen haddock, was Schellfisch bedeutet und seinen erster Auftritt feierte er 1940 in "Die Krabbe mit den goldenen Scheren".3 Jahre später gesellte sich in "Der Schatz Rackhams des Roten" ein wieterer fester Bestandteil der Ersatzfamilie Tims hinzu. Der geniale, doch zerstreute und schwerhörige Professor Balduin Bienlein (Professeur Tryphon Tournesol; tournesol=Sonnenblume) ist Erfinder einiger bemerkenswerter (ein Raketenantrieb und Farbfernseher), amüsanter (düsenangetriebene Rollschuhe), wie schrecklicher (eine Schallwaffe) Erfindungen und damit oft genug der Auslöser für die haarstreubensten Abenteuer. Eine weitere Erfindung und typisches Erkennunsmerkmal des Professor ist sein Pendel, dass wie ein Geigerzähler auf wertvolle Gegenstände reagiert. Er selbst ist von kleinem Wuchs und ein liebenswürdiger Charakter. Sollten man ihn allerdings reizen, verfällt er in eine unbändige Raserei und gibt den meisten stämmigeren Männern Fersengeld, Kapitän Haddock inklusive. Seine Schwerhörigkeit, die er immer als Harthörigkeit herunterspielt, ist des Öfteren Grund für amüsante Missverständnisse. Nach anfänglicher Abneigung hegt Kapitän Haddock insbesondere zu ihm eine tiefe Freundschaft und entwickelt einen Beschützerinstinkt für den Professor. Immer wenn sein Freund in Gefahr ist, lässter er alles stehen und liegen, um ihm zur Hilfe zu eilen. Hergé selbst bezeichnete Auguste Piccard als Inspiration für den tüddeligen Professor.Ein weiterer, fester Bestandteil des Bekanntenkreis sind die überheblichen Detektive Schulze und Schultze (Dupont et Dupond), die jedoch mehr tollpatschig, denn fähig ihrem Dienst nachgehen und meistens für die Slapstickeinlagen im Comic verantworlich sind. In Unvercovermissionen pflegen sie in der jeweiligen traditionellen Landestracht Zentrum des Gelächters zu sein und geraten darüberhinaus häufig genug mit der lokalen Justiz aneinander. Bei Ermittlungen geben sie sich stets überlegen und klischeehaft, obgleich es meistens Tim ist, der die Lösung letztendlich findet. Ihren ersten Auftritt feierten die Zwillingsbrüder 1932 in "Die Zigarren des Pharaos". Allerdings wurden ihnen nachträglich ein Cameo in "Tim im Kongo" gegönnt. Hergés Inspiration für die beiden Kultcharaktere waren höchstwahrscheinlich sein Vater und dessen Zwillingsbruder.Daneben gibt es noch unzählige, immer wieder auftauchende Nebenfiguren, gute, wie böse, die alle ihren eigenen Eindruck auf den Leser hinterlassen. Ein paar der wichtigsten versuche ich hier zu nennen:


  • In "Der Blaue Lotos" rettet Tim dem jungen Chinesen Tschang das Leben, der ihm fortan ein treuer Freund wird, beinahe ähnlich einem jüngerem Bruder. Der Charakter ist eine Würdigung von Hergés gutem Freund Tschang Tschong-Jen, der einen bedeutenden Einfluss auf Hergés Schaffen hatte.
  • Pjotr Klap ist ein liatuischer Pilot mit Augenklappe, der zunächst mit einem Kampfflieger Jagd auf Tim und Haddock macht, später jedoch die Seiten wechselt und sich zum Freundeskreis der beiden dazugesellt.
  • Oftmals während seiner Ausflüge in den arabischen Orient trifft Tim auf den Herrscher des fiktiven Landes Khemde, Emir Ben Kalisch Ezab. Seit ihrem ersten Aufeinandertreffen sind die beiden befreundet. Der Sohn des Emirs, Abdallah, ist ein unterträgliches, verwöhntes und verzogenes Gör, das seine Umwelt mit Streichen terrorisiert und dem einzig der gutherzige, emotionale Emir in Liebe verbunden ist.
  • Eher zufällig wird Tim Adjutant General Alcazars, Diktator der fiktiven, von bürgerkriegsunruhen erschütterten Republik San Theodoros, der dort mit seinem Wiedersacher General Tapioca im Streit liegt und die sich kontinuierliche gegenseitig putschen. Später sind Tim und Alcazar gute Bekannte.
  • Die berühmte Bianca Castafiore, ein ganz und gar von sich überzeugte Opernsängerin, trägt mit Vorliebe, sehr zum Missfallen ihrer Zuhörer, die Juwelenarie aus Gounods "Faust" vor und ist besonders unbeliebt bei Kapitän Haddock, deren Namen sie stets falsch ausspricht.
  • Fridolin Kiesewetter ist Versicherungsvertreter und ein nervendes Plappermaul, der bei jeder Gelegenheit Kapitän Haddock bedrängt. Gleichzeitig ist Kiesewetter Hergés Parodie seiner spießbürgerlichen Landsleute.
  • Nestor ist der treue Diener Haddocks auf Schloss Mühlenhof. Dort diente er schon den frühren Besitzern, den kriminellen Gebrüdern Vogel-Faull. Zwar hat er einen Hang zum Lauschen, ist abgesehen davon ein gewissenhafter und formibdalber Butler.


Doch Tim hat nicht nur Freunde, sondern auch viele Feinde.
  • Ganz besonders seinen Erfeind, der Mulitmillionär und internationale Verbrecher Roberto Rastapopoulos macht ihm das Leben schwer. Oder ist es eher umgekehrt? Rastapopoulos ist in jedewede denkbare illegale Aktivität verwickelt, ob Drogen- oder Menschenhandel, Waffenschmiggel, Entführung oder Erpressung, der gewissenlose Gangsterboss schreckt vor nichts zurück und gerät dadurch meistens an den heldenhaften Reporter.
  • Haddocks früherer erster Offizier war Allan Thompson, der jedoch die Alkoholsucht seines Kommandanten ausnutze, um die Kontrolle über das Schiff "Karaboudjan" zu übernehmen und sie für Rauschgiftschmuggel zweckzuentfremden. Er und Tim treffen immer wieder aufeinander, später wird er ein Handlanger von Rastapopoulos. In der neugezeichneten Version von "Die Zigarren des Pharaos" wurde auch er nachträglich hinzugefügt.
  • Ein ebenso wiederkehrender Antagonist ist der vermutlich deutsche Psychiater Dr. J.W. Müller, der zunächst als Geldfälscher und Schmuggler, später als Kriegstreiber in Khemed auftritt.
  • Ein besonderer und im Gedächtnis bleibender Antagonist ist der Japaner Mitsuhirato, mit dem Tim in "Der Blaue Lotus" aneinander gerät. Er ist einer der gefährlichsten, weil intelligentesten und skurpellosesten Gegner des Reporters. Er gilt als einer der rigorosesten Charaktere (man beachte die vielzähligen Superlativen...) der ganze Reihe und ist eine faszinierende Persönlichkeit, für mich sogar einer der besten Bösewichte aller Zeiten.
Neben den vornehmlich vorhandenen Abenteuer-Elementen gibt es in den "Tim und Struppi"-Geschichten auch viele komödiantische Szenen, inbesondere vorgetragen durch die tollpatschigen Detektive Schulze und Schultze. Doch auch unsere Helden, ebenso wie die Bösewichter sind sich nicht zu fein, ein unglücklich platzierte Bananenschale zu übersehen... japp, der Humor besteht überwiegend aus Slapstickeinlagen, gemäß dem Vorbild der 20er-Jahre-Stummfilmära. Doch auch die absurd-komischen Situationen haben ihren besonderen Reiz, ob es die impertinent aufdringliche Gesprächtiraden Friedolin Kiesewetters, die durch die Schwerhörigkeit Bienleins provozierten Missverständnisse oder, der Klassiker und Lieblingsgag der Reihe, die Metzgerei Schnitzel (Boucherie Sanzot) sind. Hergé findet stets ein Maß zwischen Ernst und Humor, kreiert dabei sehr viel Charme.Der Zeichnungen Hergés sind äusserst charakteristisch und sein Stil ist als Ligne claire (dt. klare Linie) in die Comicgeschichte eingegangen. Die wesentlichen Merkmale dieses Stils sind die präzise Konturen und die flächige einfarbige Kolorierung, sowie der weitesgehende Verzicht auf Schraffuren, Schattierungen und Farbverläufe. Charaktere und Mimik sind meistens von einfacher Darstellung, während die Hintergründe und Details sehr detailliert und realistisch wiedergegeben sind. "Tim und Struppi" wurde daher vor allem wegen der wahrheitsgetreuen und genauen Darstellung von Mode und der Umgebung (z.B. Autos) geschätzt. Hergé selbst bezeichnete die Comicreihe der Bécassine als sein Vorbild.

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